Kreislaufwirtschaft und Urban Mining

Gemäß dem jüngsten Statusbericht des Umwelt- bundesamts26) lag das Abfallaufkommen Österreichs im Jahr 2019 insgesamt bei rund 71,26 Mio. Tonnen. Im Bausektor entsteht Abfall zu 90 % beim Abbruch, dem Umbau und der Sanierung von Bauwerken. Nur rund 10 % der Abfälle fallen bei der Errichtung neuer Bauwerke an.27) Das Aufkommen der Bau- und Abbruchabfälle betrug 2019 rund 11,51 Mio. Tonnen, davon rund 9,4 Mio. Tonnen mineralische Bau- und Abbruchabfälle, wovon rund 1,3 Mio. Tonnen deponiert wurden. Das Aufkommen der Aushubmaterialien betrug rund 42 Mio. Tonnen, davon wurde der größte Anteil (30,6 Mio. Tonnen) deponiert.

Durch die Verankerung des Holistic Building Programs (HBP) im Wettbewerb nimmt die BIG in jedem Projektstadium auf die Kreislaufwirtschaft Bedacht. Bei Um- und Neubauten wird nicht nur die Recycle-Fähigkeit des Abbruchs bewertet und geprüft, sondern bereits im Zuge der Planung auf Recycle-Fähigkeit der Bauteile und Materialien geachtet. Zur Optimierung des Materialeinsatzes im eigenen Portfolio sammelt der Konzern im Rahmen von Pilotprojekten Erfahrungen für künftige Bauprojekte. Dazu werden Potenzialanalysen für ausgewählte Objekte im Vorfeld durchgeführt, Rückbaukonzepte erarbeitet und gemeinsam mit Partnern wiedereinsetzbare Wertstoffe gewonnen.

Den größten Hebel sieht die BIG in der Abfallvermeidung durch Substanzerhaltung und in der Ausschöpfung vorhandener Potenziale von Gebäuden. Das bedeutet, den Bestand langfristig zu erhalten, eine lebenszyklus- orientierte Betrachtung sowie die Wiederverwendung von Sekundärrohstoffen, die durch Abbruch und Sanie- rungstätigkeiten entstehen, zu unterstützen, kurz dem Grundsatz Reduce Reuse Recycle zu folgen.

Das aktuellste Beispiel für verwertungsorientierten Rückbau ist das VILLAGE IM DRITTEN, wo ein rund 11 ha großes Wohn- und Lebensquartier im Entstehen ist. Vor Baubeginn wurde der ressourcenschonende Rück- bau des Altgebäudebestandes mit BauKarussell28), dem ersten österreichischen sozioökonomischen Anbieter für verwertungsorientierten Rückbau, umgesetzt. Im Ergebnis wurden rund 50.000 kg Material aus dem Altbestand gewonnen. Am Arbeitsmarkt Benachtei- ligte erhielten zudem die Möglichkeit einer Qualifizierung im zukunftsträchtigen Feld der Kreislaufwirtschaft und leisteten in dem Projekt 1.400 Stunden operative soziale Arbeit. Um den Abbruch optimal vorzubereiten, wurden in den Gebäuden 15.000 kg an Schad- und Störstoffen wie Dach- und Wandplatten, Leuchtstoffkörper und über 1.000 m2 PVC-Bodenbelag entfernt und für die Entsorgung vorbereitet. Auch die Sicherung von Wertstoffen wie Buntmetallen war Teil des ressourcenschonenden Rückbaukonzepts. Davon werden 5.800 kg als Sekundärrohstoff wieder in den Materialkreislauf rückgeführt.

Durch die Vermittlung von beinahe 100 Fenster-Elementen und Betonsteinfliesen konnten 27.700 kg noch gebrauchsfähige Bauteile der Wiederverwendung zugeführt werden. So fanden die im Jahr 1994 produzierten Betonsteinfliesen ihren Weg in einen Betrieb im Waldviertel, die Fenster-Elemente werden in einem Hallenneubau zum Einsatz kommen. Durch derartige Projekte lassen sich wertvolle Erfahrungen für künftiges Kreislaufwirtschaften im Baugewerbe sammeln. Bisher hat sich gezeigt, dass vor allem der logistische Aufwand, das Zeit- und Raummanagement sowie die Beschaffung der erforderlichen Infrastruktur zur Materialverarbeitung vor Ort eine große Herausforderung in der Projektplanung und -organisation darstellen.

​​​​​​​MedUni Campus Mariannengasse, Wien

Durch verwertungsorientierten Rückbau des alten Energie-Wien-Gebäudes zum neuen MedUni Campus in der Mariannengasse, Wien, mit BauKarussell, dem ersten österreichischen sozioökonomischen Anbieter dafür, konnten über 140 t Materialien bewegt werden.

Davon wurden 60 t der direkten Wiederverwendung zugeführt. So fanden etwa hundert Jahre alte Paternosterkabinen ihren Weg ins Wiener Aufzugmuseum, eine Do it yourself (DIY)-Fahrradreparaturwerkstatt entstand ausschließlich aus Bauteilen des Objekts und Elemente im Jugendstil werden im Park Hrabalek im Böhmischen Prater in Wien, zu sehen sein.

Weitere 80 t wurden in händischer Demontagearbeit sortenrein getrennt und in die stoffliche Verwertung gebracht, darunter Leuchtstoffröhren, Zwischendecken sowie diverse Fraktionen an Buntmetallen. Dafür wurden 4.775 Stunden sozialwirtschaftliche operative Arbeitsstunden geleistet.

Wildgarten und Village im Dritten in Wien

Auch die Wiederverwertbarkeit von mineralischen Wertstoffen (Erdaushub) wird im Rahmen von Pilotprojekten geprüft. Nach einer Bodenanalyse von mineralischer und humoser Bodenmasse zeigten sich für die weitere Verwertung vor allem logistische Herausforderungen, die durch ein gutes Zusammenspiel der Handelnden gelöst werden konnten. Das betraf die Bereitstellung von Zwischenlagermöglichkeiten der Materialien und das Freihalten von Flächen für die verarbeitende Infrastruktur, welche für einen längeren Zeitraum benötigt wurden.

Durch das Einrichten einer Ortsbetonanlage konnten rund 20.000 LKW-Fahrten und 150 t CO2 eingespart werden. Der für die Betonerzeugung ungeeignete Sandstein wurde vor Ort gebrochen und Großteils zur Hinterfüllung der Baugruben verwendet. Wertvolle Rohstoffe, wie 15.000 t nährstoffreicher Humus, wurden für die Wiederverwendung im Wildgarten, Wien, bewahrt.

Restmassen kommen im Village im Dritten, einem weiteren Projekt der ARE auf den ehemaligen Aspanggründen in Wien, zum Einsatz. Dort werden vor Projektstart vier von sechs ehemalige Hallen der Technischen Universität Wien durch BauKarussell verwertungsorientiert abgetragen.

Umnutzung Orthopädisches Spital Gersthof und Semmelweisklinik in Wien

Oberste Priorität ist die Substanz von Gebäuden unter Wahrung der Nutzungssicherheit zu erhalten. Die Umnutzung des ehemaligen Krankenhauses in Gersthof in ein Ausweichquartier der Schule Klostergasse ist ein gutes Beispiel dafür, wie es funktionieren kann. Die vormals medizinisch genutzten Räume sollen danach auch langfristig der Bildung zugeführt werden.

Gleiches gilt für die ebenfalls 2020 erworbenen drei Gebäude der ehemaligen Semmelweisklinik, die aufgrund ihrer Raumstruktur für Bildungszwecke gut geeignet sind. So bleiben die denkmalgeschützten Pavillons als Bildungsraum für viele weitere Jahre in Verwendung, auch die rund 2,7 ha große Parkanlage bleibt erhalten