Boden & Versiegelung

Sowohl Bestandsgebäude als auch Neubauprojekte müssen an die Klimaveränderungen und zu erwartenden Extremwetterereignisse angepasst und eine Verschlechterung des Mikroklimas durch ökologisch sinnvolle Bauweisen möglichst verhindert werden. Um die Auswirkung der Bauvorhaben auf die unmittelbare Umwelt bereits in der Planungsphase sichtbar zu machen und Maßnahmen kosten- und ressourceneffizient einsetzen zu können, wird vor allem bei Hitzeinsellagen verstärkt mit Mikroklimasimulationen gearbeitet. Sie beschreiben die Auswirkungen des Bauvorhabens unter Berücksichtigung des Standortes und werden zum Teil bereits ab Wettbewerb und in Folge planungsbegleitend für Projekte des Konzerns eingesetzt. Ziel ist die Optimierung der Baukörpersetzungen, deren Einbindung in Freiflächen und eine langfristige Kostenoptimierung. Vor allem bei den Neubauprojekten der ARE Development wird diesem Thema sehr große Bedeutung beigemessen.

Um der Hitzentwicklung entgegenzuwirken und Feinstaub sowie Treibhausgase (TGH) zu binden, werden zudem Ausgleichsmaßnahmen gesetzt. Durch die An- wendung des Nachhaltigen Mindeststandards wird bei jedem Projekt der Grün- und Freiflächenfaktor ermittelt und Bewusstsein für etwaige Ausgleichsflächen, be- sonders in innerstädtischen Bereichen, geschaffen. So entstehen zusätzliche Grünflächen auf Dächern, an Fassaden oder auch im Gebäudeinneren. Der Einsatz von Gründächern ist insbesondere bei den Schulen in größtmöglichem Umfang vorgesehen, in dicht verbauten Lagen werden zusätzlich Fassadenbegrünungen durchgeführt.

Ein Best Practice-Beispiel ist die Umsetzung der Fassaden- und Dachbegrünung am Bundesamtsgebäude in Tulln. Ausgehend vom Plan der Stadt Tulln, den zentralen Nibelungenplatz neu zu gestalten und durch Parkplatz-Nutzung die bestehende Hitzeinsel zu entschärfen, untersuchte die ARE im Berichtsjahr in Zu- sammenarbeit mit der Expertenplattform „Grün statt Grau“ in einer durch sie beauftragten umfassenden Studie die Potenziale verschiedener Varianten von Dach- und Fassadenbegrünung für das bestehende Amtsgebäude. Photovoltaik und besonders gestaltete Biodiversitäts-Begrünungen waren Bestandteil der Varianten. Darüber hinaus wurden die Varianten „Erweiterung/Aufstockung“ untersucht, die insgesamt mehr Nutzflächen bei geringerer Flächenversiegelung ausweisen, um prototypisch zu zeigen, wie Städte der steigenden Flächenversiegelung entgegenwirken können. Die Umsetzungsentscheidung ist für 2022 geplant. Die Studie wurde so konzipiert, dass sie dem Aufbau von Grundlagen-Know-how im BIG Konzern dient. In der Außenanlagengestaltung der Vorderen Zollamtstraße in Wien wurden im Zuge der Erneuerung von 5.000 m² befestigter Hoffläche Maßnahmen zur Reduktion der sommerlichen Überwärmung berücksichtigt. Bei der Wahl des Belages wurden helle reflektierende Farben gewählt, natürliche Verschattungen mit Bäumen und bewachsenen Wänden hergestellt sowie zahlreiche Blumentröge für zusätzliche Begrünungen angebracht, welche automatisiert mit Brunnenwasser versorgt werden. Bei der Außenanlagenplanung des Wohnbaus Feldkirchner Straße in Klagenfurt wurde der Platz zwischen bestehendem Bezirksgericht und Neubau mit Fokus auf Regenwassermanagement und als Pufferzone zwischen Wohnbau und Straße neu konzipiert: Die Oberflächenwässer werden durch Geländemodulation gesammelt, zu „Grün-Inseln“ im Platz geleitet, dort gespeichert und für die Bepflanzung verfügbar gemacht. Durch die optimierte Versickerung, Begrünung und helle Beläge leisten Platz und Außenbereiche einen Beitrag zur Vermeidung von Hitzeinseln und zum natürlichen Wasserhaushalt. 

Für den Konzern hat sich die BIG vorgenommen, bis 2025 die Dachbegrünungen auf zumindest 250.000 zu steigern. Ende 2021 waren es rund 188.680 m², das bedeutet einen Zuwachs von rund 7,8 % innerhalb des letzten Jahres.

Flächenverbrauch und Versiegelung

In der Bebauung von Flächen geht die BIG verantwortungsvoll mit ihren Flächenressourcen um. Vor allem der Substanzerhalt und die Optimierung des Bestandes stellen einen wesentlichen Beitrag für den Bodenschutz dar. Bei der Bebauung liegt das Augenmerk auf der Verdichtung des Gebäudebestands und der Erzielung einer hohen Flächeneffizienz auf zumeist vormals bebauten Flächen („Brown Fields“) im urbanen Raum. Aufgrund des Nachhaltigen Mindeststandards der BIG muss zudem bei jedem Neubau oder jeder Generalsanierung der Grün- und Freiflächenfaktor errechnet werden. Das Ziel ist zumindest 20 % der Fläche unversiegelt und frei von baulichen Gewerken zu halten sowie 20 % der Dachflächen zu begrünen.

Um den natürlichen Wasserhaushalt zu unterstützen und die Bodenfunktionen weitestgehend aufrechtzuerhalten, wird darüber hinaus nach Lösungen für die größtmögliche Versickerung auf Eigengrund gesucht. Daher widmet sich die BIG der Weiterentwicklung von grünen Gebäudesystemen und intelligenter Regenwas- sernutzung auf Freiflächen. Hier greift man auf Erfahrungen im Rahmen von Pilotprojekten, wie der HTL St. Pölten, zurück. Dort wurde die großflächige Umsetzung eines Drain-Garden-Systems auf 10.000 m² (Parkplatz und Werkstättendach) als wirkungsvolle Entkoppelungsmaßnahme vom Kanalsystem sowie zur Optimierung der mikroklimatischen Bedingungen realisiert. Zur Ermittlung des ökologischen Fußabdrucks des Gebäudes (Building Footprint) wird die ÖNORM B 1800 oder ersatzweise das erste Untergeschoss herangezogen. Der Fußabdruck zeigt die durch ein Gebäude beanspruchte Fläche im Verhältnis zur Grundstücksfläche. Im Berichtsjahr waren dies 16,5 %. Das bedeutet, dass 83,5 % der Grundstücksfläche von Gebäuden der im Berichtsjahr fertiggestellten Projekte unberührt blieben. In Summe ist der Building Footprint des Konzerns um 2,6 % kleiner als 2020. Bei fertiggestellten BIG Projekten ist der Building Footprint um 2,2 % und bei fertiggestellten ARE Projekten um 2,9 % gesunken.

Zur Messung der Flächeneffizienz und Schaffung neuer Nutzflächen wird der Building Footprint der 2021 fertiggestellten Projekte im Vergleich zur erzielten Nettoraumfläche (NRF) herangezogen. Die Zahl drückt aus, wie viel an Nettoraumfläche je Gebäudefußabdruck erzielt werden konnte. Das heißt, je größer der Wert, desto höher die Flächeneffizienz und damit die Schonung der Ressource Boden. Dabei ist die Flächeneffizienz des BIG Konzerns im Vergleich zum Vorjahr von 1,3 auf 2 gestiegen, das heißt für 1 Außenanlagen Objekt Fläche (AOF) wurden 2021 2 m² Nettoraumfläche erzielt.

Freiraumgestaltung und Biodiversität

Schonung von Flächen bedeutet Erholungsraum zu schaffen, aber auch den Lebensraum für die Pflanzen- und Tierwelt zu erhalten. Zum Portfolio der BIG zählen große Wald- und Grünflächen wie zum Beispiel Teile des Grünen Praters oder der Sternwartepark in Wien, welche einen wichtigen Erholungs- und Freiraum innerhalb der Städte bieten.

Auch für bebaute Flächen und Quartiere gewinnen freiraumplanerische Maßnahmen und die Erhaltung eines naturnahen Lebensraumes in Hinblick auf die zunehmende Bodenversiegelung an Bedeutung. Eine Stärke von BIG und ARE liegt in der Berücksichtigung dieser Planungsfaktoren im Rahmen der Freiraumplanung langfristiger Campus- und Quartiersentwicklungen. Mit der Verdoppelung der Flächen von Gründächern, der Forcierung von Fassadenbegrünung und der Neu- pflanzung von Bäumen im urbanen Raum soll neben der Verbesserung des Mikroklimas zusätzlicher bio- diverser Erholungsraum geschaffen werden. Ein frei- raumplanerisches Konzept ist nach dem Nachhaltigen Mindeststandard bei jedem Projekt zu erstellen, in Einzelfällen werden eigene Freiraumplaner eingesetzt. Beispiele dafür sind:

Einsatztrainingszentrum (ETZ) Süßenbrunn

Das ETZ befindet sich in Bau und zeigt eine erstaunliche Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten, für die ein Öko-Monitoring und eine ökologische Begleitung für die nächsten zehn Jahre unter Beiziehung eines Fachkundigen vorgesehen ist.

VILLAGE IM DRITTEN, Wien

Der zentrale rund zwei Hektar große Park inmitten des neuen Grätzls wird zu einem erholsamen Rückzugsort. Darüber hinaus werden alle nicht begehbaren Dächer des Projekts sowie einige der Fassaden begrünt. Zudem sind Ausgleichsflächen für Zauneidechsen vorgesehen. Der Bauplatz des Quartiers dient als Zwischennutzung für Urban Gardening und konnte im Berichtsjahr für ein Bienenzentrum in Kooperation mit BIEZEN vorbereitet werden.

ÖSTERREICHWEIT

Die österreichweite Zurverfügungstellung von Standplätzen für Bienen auf Liegenschaften des Konzerns sichert weiteren wichtigen Lebensraum und schafft ökologisch wertvolle Zwischennutzungen. Um Honig- und Wildbienen im urbanen Raum erlebbar zu machen und Bewusstsein für ihre Bedeutung zu schaffen sowie die Begeisterung für die Bienenzucht weiterzugeben, wurde im Berichtsjahr in Kooperation mit dem Bienenzentrum Wien ein Lerngarten mit über 30 Bienenvölkern auf dem Gelände des zukünftigen VILLAGE IM DRITTEN eingerichtet. Hier werden auch in der kommenden Saison Imkereikurse für Anfänger und Fortgeschrittene sowie Workshops für Jung und Alt angeboten. 2021 wurden bereits 78 Imkerinnen und Imker im Lerngarten ausgebildet.

GrünPlusSchule GRG7

Im dicht verbauten 7. Bezirk in Wien ist eine Grünoase im und um das BRG Kandlgasse entstanden, die sich nicht nur zu einer im öffentlichen Interesse stehenden Forschungsstation etabliert hat, sondern auch messbar das Mikroklima im Innen- und Außenbereich verändert. Erste Ergebnisse wurden jüngst im Rahmen der Newton-Fernsehreihe  Stadt 4.0: Grün statt Grau gezeigt. An heißen Sommertagen ist es im begrünten Innenhof um 5 Grad kühler, etwa 20 Grad Unterschied wurden direkt an der Wand gemessen.

Bei Altbauten wie diesem - ohne Dämmung der Außenwand - erzielte die begrünte Fassade bis zu 20% weniger Wärmeverluste, wodurch wiederum Strom und Heizungsenergie eingespart werden kann. Gleichzeitig wird die Fassade von Schlagregen und Witterung geschützt.

Begrünung von Dachflächen

Der Gebäudebestand der BIG kann bereits auf einige vor allem extensiv begrünte Dachflächen verweisen, die aktuell erfasst werden. Die jüngste großflächige Begrünung wurde für die HTL St. Pölten vorgenommen, auch dort in Kombination mit einem eigens entwickelten hoch wasserspeichernden Substrat.

Auf ca. 6.000m2 Dachfläche der Werkstättenhalle wurde die Regenwasserrückhaltung durch Aufbringen eines Exentensivsubstrates, anstelle des bisherigen Blechdaches, wesentlich verbessert und kann jetzt ein Abflußbeiwert von 0,5 angesetzt werden. Als Dachbahn wurde eine biozidfreie Variante mit technischem Wurzelschutz gewählt, um die Umwelt zu entlasten.

Retentionsfläche Draingarden

In der HTL St. Pölten, der Pä­da­go­gischen Hoch­schu­le Ba­den und der HLW Türnitz wur­den Ver­sickerungs­flächen in Ver­bin­dung mit hoch was­ser­speich­ern­den Boden­subs­traten mit Erfolg getestet. Beispiel Draingardenerweiterung Parkplatz HTL St. Pölten: Wo vorher ein mit Folie ummanteltes Kiesrigol mit Abflußdrossel als verzögerte Einleitungsmaßnahme in den öffentlichen Kanal diente, kam nun ein von der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) gemeinsam mit heimischen Unternehmen entwickeltes Bodensystem zum Einsatz. Im Ergebnis wurde das System auf über 4.000m2 PKW-Parkfläche eingesetzt. Pro Kubikmeter Substrat kann dieser mit speziellen Bodensubstraten gefüllte Bodenfilter  bis zu 450 Liter Wasser speichern, das in einer nachfolgenden Trockenperiode wieder an die Bepflanzung (Bäume, Sträucher) abgegeben wird und die direkte Umgebung um bis zu 1 Grad abkühlt. Gleichzeitig wird der Kanal entlastet, da nur noch ein kleiner Teil des Regenwassers langsam gefiltert in das Grundwasser versickert.

Die Pflanzen verdunsten ihrerseits das gespeicherte Wasser und kühlen dadurch ihre Umgebung. Auch die Beschattung durch die Bäume verhindert das Aufheizen der Asphaltflächen durch Sonneneinstrahlung, was zur rascheren abendlichen Abkühlung und Verbesserung des Mikroklimas beiträgt. So sollte ab der 3.-4. Wuchsperiode ein Gießaufwand nur noch in langen Trockenperioden entstehen, danach befindet sich die Bepflanzung in der Regel versorgungstechnisch im Gleichgewicht. Ein weiterer Vorteil ist, dass der DRAINGARDEN Kohlenwasserstoffe ausfiltert und durch die in ihm lebenden Mikroorganismen mit der Zeit auch abbauen kann.